Als Dolmetscher*innen interessieren wir uns für die Themen unserer Kundschaft. Das ist Teil unserer Vorbereitung, macht aber auch den Reiz des Berufs aus. Wir freuen uns, wenn auch Sie sich für uns interessieren. Die wohl häufigste Frage, die wir hören, lautet: „Wie machen Sie das mit dem Simultandolmetschen?„
Auf den ersten Blick übertragen Dolmetscher*innen gesprochene Sprache in eine andere Sprache. Beim Konsekutivdolmetschen geschieht das in seltenen Fällen Satz für Satz, aber meistens werden längere Sinnabschnitte übersetzt.
Beim Simultandolmetschen findet dieses Übertragen von einer Sprache in die andere kontinuierlich und gleichzeitigmit beispielsweise dem Redefluss des Keynote-Speakers statt. Aber das ist nicht alles, was simultan geschieht.
Stellen Sie sich vor, dass vom Buffet in der Kaffeepause genau ein Donut übrig geblieben ist. Sie sind zu dritt und müssen ihn teilen. Nun gibt es viele Möglichkeiten:
Unser Tipp: Die drei Stücke sollten gleich groß sein. Und das gilt auch beim Dolmetschen. Dolmetschwissenschaftler Daniel Gile hat, um den Prozess beim Simultandolmetschen anschaulich zu erklären, das Kapazitäten-Modell erstellt.
Er stellt die verfügbare Kapazität als immer gleich großen Kreis dar. Dieser Kreis wird in die Stücke „Hören„, „Analysieren“ und „Sprechen“ geteilt. Sind die Stücke gleich groß, hören die Dolmetscher*innen den Vortrag gut, verstehen und übersetzen ihn und sprechen angenehm, verständlich und kohärent.
Manchmal muss das Donutstück „Hören“ stark vergrößert werden. Zum Beispiel wenn Teilnehmer*innen einer Videokonferenz kein Headset benutzen oder so schnell gesprochen wird, dass ein aktives Zuhören nicht mehr möglich ist.
Die Folge: Das Analysestück wird kleiner und die Dolmetscher*innen merken nicht, dass die Redner*in gerade einen Witz macht.
Dolmetsch-Tipps: Kurze Sätze machen und nicht alle Einschübe wie „meiner Meinung nach und auch der meiner geschätzten Kollegen“ verarbeiten.
Liest der CFO seinen Finanzbericht ab, müssen die Dolmetscher*innen Schriftsprache gespickt mit vielen Zahlen, die ohne den richtgen Bezug wertlos sind, analysieren. Das Analysestück wird größer.
Die Folge: „Hören“ und „Sprechen“ schrumpfen. Zahlen werden falsch gehört: „fifty-two million“ oder „twenty-five billion“? und Sätze werden gesagt wie: „Der Wachstum in diesem Bereich wächst.“
Dolmetsch-Tipps: „Hören“ entlasten, indem Teampartner*innen Zahlen mitschreiben.
Sollte das tatsächliche „Sprechen“ so viel Kapazitäten binden, dass Dolmetscher*innen nicht mehr richtig zuhören und analysieren können, ist das ein Zeichen, dass die Kenntnisse der Sprache nicht ausreichen, um als Simultandolmetscher*in arbeiten zu können.
Abschließend haben wir Ihnen eine Liste mit Tipps zusammengestellt, die helfen, den Donut gerecht zu teilen.